DAS INTERVIEW

25 Jahre Dirk Busch auf Tonträger

(oder: Fragen, die ich mir immer schon mal stellen wollte!)

?: Herr Busch, 25 Jahre auf Tonträger. Hätten Sie damals gedacht, dass Sie das so lange durchhalten?

D.B.: Offen gestanden ja. Denn ich bin ja angetreten, um musikalische Geschichten in deutscher Sprache zu erzählen. Kleine Geschichten, die mit dem Leben der Menschen, mit ihren Hoffnungen und Enttäuschungen, mit ihren Alltagssorgen und -freuden zu tun haben. Und der Fundus an solchen Geschichten ist ja unermesslich. Man muss nur mit offenen Augen durch die Welt gehen.

?: Man kann ja durchaus unterschiedliche Musikstile verwenden, um Geschichten zu erzählen. Wie würden Sie sich da einordnen?

D.B.: Meine Wurzeln liegen definitiv im anglo-amerikanischen Singer-Songwriter- Milieu, also bei Leuten wie Leonard Cohen, Jim Croce, Gordon Lightfoot oder Kevin Johnson. Darüber hinaus habe ich mich auch gerne mit französischen Chansons auseinandergesetzt. Gilbert Becaud und  Charles Aznavour fallen mir da als erstes ein. Aber auch mit italienischen canzoni, z.B. von Lucio Dalla und Fabrizio de Andre. Deutsches Liedgut hat mich dagegen bis auf wenige Ausnahmen, zu denen  Reinhard Mey oder Herman van Veen zählen, weniger interessiert. Ich bin in meinen Kompositionen eindeutig melodieorientiert. Groove spielt für mich zwar auch eine Rolle, aber entscheidend ist für mich immer die eingängige Melodie, die die Geschichte transportieren soll.

?: Können Sie sich noch erinnern, wie das erste Album vor 25 Jahren zustande kam?

D.B.: Klar, Auslöser war eine Lungenentzündung meiner Frau (lacht). Wir hatten damals zwei kleine Kinder und entsprechend viele Themen, die uns als junge Eltern beschäftigten. Und wir hatten immer darüber gesprochen, mal ein paar eigene Kinderlieder zu schreiben. Meine Frau musste das Bett hüten, also sagte ich, schreib’ einfach ein paar Songideen auf, und ich schreibe dann weiter. Und so entstand das Album „Kinder Kinder“, das ich mit viel Aufwand (alles ausgeschriebene Arrangements mit Bläsern und allem Drum und Dran von meinem englischen Arrangeur Les Searle) und sehr guten Musikern aufnahm. Die Sachen klingen auch heute noch aktuell, sowohl textlich als auch musikalisch.

?: Und wie ging’s dann weiter?

D.B.: Irgendjemand hatte die Lieder gehört und vermittelte einen Kontakt zum damaligen Big Boss der Teldec, dem „alten“ Richter, der mir schon in diesem ersten Gespräch den gut gemeinten Rat gab: „Herr Busch, seien Sie nicht zu intelligent in diesem Geschäft“ (lacht: hab’ ich mich nicht dran gehalten). Teldec übernahm das Album unter dem Titel „Du das machen wir später“ und besorgte mir meinen ersten Fernsehauftritt in der Sendung „Cafe in Takt“. Hier durfte ich dann mit 39,4 Grad Fieber live singen… Richter fragte mich später, ob ich nur Songs für Kinder schreiben würde oder ob ich mir auch Songs für Erwachsene vorstellen könnte. Was für eine Frage. Ich wollte ja nicht der zweite Rolf Zuckowski (den ich im übrigen sehr schätze) werden. Und so griff Teldec in die Tasche und finanzierte 1982 die schöne Produktion „Zeit zu leben“, die wir im Rüssl-Studio in Hamburg aufnahmen. Mit grossartigen Musikern wie Werner Becker, Tissy Thiers, Dicky Tarrach und Nils Tuxen u.a. Leider wechselte die Firmenspitze, und beim ersten Gespräch mit Richters Nachfolger, Thomas Stein, hatte ich den nachhaltigen Eindruck, dass wir nicht die gleiche Wellenlänge hatten. Zum Glück hatte Siggi Loch, damaliger Chef der WEA, die Produktion gehört und holte mich zur WEA, indem er die Produktion bei der Teldec ablöste. Von da an ging’s bergauf.

?: Sie sind dann später fast 10 Jahre bei Polydor unter Vertrag gewesen. Warum wurde diese Zusammenarbeit beendet?

D.B.: Zur Polydor bin ich ja gekommen, weil der Vertrieb mitbekam, dass ich nach der WEA-Zeit im Vertrieb einer kleinen Firma ganz ordentlich Platten verkaufte, vor allem auch wegen

„Sie beisst und kratzt“, meinem Dauerläufer. Wir haben dann bei Polydor mit „Du bist keine Mona Lisa“, „Ich zieh den Bauch nicht mehr ein“, „Liebst du auch den rauhen Wind“ u.a. eine Reihe von Chartsplazierungen gehabt – wenn ich mich recht erinnere, war „Mona Lisa“ der erste deutschsprachige Titel von Polydor in den Charts nach längerer Durststrecke seinerzeit. Wir hatten auch viele große Fernsehsendungen Dennoch bin ich ja nie ein wirkliches Massenthema gewesen, eher doch  Nische. Zwar kommerzielle Nische, aber Nische. Und irgendwann kommt ein Punkt, wo Aufwand und Ertrag aus Sicht einer major company nicht mehr passen. Darüber hinaus war auch deutlich zu spüren, dass man nicht mehr an deutschsprachige Themen meines Zuschnitts glaubte. Für  mich  war  die  Polydor-

Zeit in jedem Fall eine gute und wirtschaftlich sehr erfolgreiche Zeit, und da ich ja schon länger mein eigenes Label SophistiCat Music hatte, brauchte ich mir auch keine großen Gedanken bezüglich weiterer Veröffentlichungen zu machen. Ich hatte zwar bei der Polydor auch immer große Freiheiten hinsichtlich des Produktes gehabt, aber bei deinem eigenen Label musst du dich ja immer nur mit dir selbst auseinandersetzen und abstimmen (lacht). Außerdem quatscht dir auch keiner rein wegen Fotos und Covergestaltung.

?: In diese Phase fiel ja auch wohl die Entscheidung, verstärkt in den USA zu arbeiten und zu produzieren. Was war hierfür der Auslöser?

D.B.: Wir hatten ein paar Jahre vorher eine schöne Wohnung direkt am Atlantik auf Hutchinson Island in Florida gekauft. Und natürlich habe ich die Zeit drüben genutzt, Kontakte zu Musikern zu knüpfen, sei es in Miami, Los Angeles oder Nashville. Daraus ergaben sich Arbeitszusammenhänge mit wunderbaren amerikanischen Musikern, die mit ihrer unverkrampften Art, unterschiedlichen Musikstilen zu begegnen, mir sehr viel gegeben haben. In dieser Phase hatte ich darüber hinaus den Eindruck, etwas zu sehr im eigenen Saft zu schmoren, und da waren Begegnungen und Zusammenarbeit mit Menschen wie Carlos Vega und Jimmy Johnson (beide Studio- und/oder Livemusiker bei James Taylor, Madonna, Vince Gill, Reba McIntyre etc.) oder auch Lenny Castro, dem Percussionisten von Toto, eine ausgesprochene Bereicherung. Schliesslich habe ich noch ein paar Instrumentalprojekte als Produzent für mein Label gemacht, u.a. mit dem ehemaligen Gitarristen der Commodores, Douglas Datwyler, und dem Pianisten David Scott aus Los Angeles, die meinen musikalischen Horizont ebenfalls erweitert haben.

?: So mancher wird ja vielleicht wissen, dass Sie in Ihrem „früheren“ Leben Universitätsprofessor waren und sich fragen, wieso man eine solche prestigereiche und abgesicherte Position zugunsten der Musik aufgibt …     

D.B.: Also zunächst einmal bin ich immer noch Professor – und das auf Lebenszeit! Allerdings seit 10 Jahren ohne Gehalt. Unlängst wurde ich vom Rektor der Universität Bremen (seit neuestem ja im Kreis der Eliteuniversitäten!) zum Botschafter der Uni Bremen ernannt. Aber zurück zur Frage. Zum einen bin ich ja sehr früh Prof. geworden und habe viele Jahre geforscht, gelehrt und publiziert. Mir hat das auch immer Spaß gemacht. Aber irgendwann wurde mir klar, dass Musik – und hier insbesondere der kreative Teil – aus meinem Leben nicht wegzudenken ist, und da ich in der privilegierten Situation bin, von meiner Musik gut leben zu können, war dann die Entscheidung nicht so schwer. Wenngleich ein regelmäßiger monatlicher Scheck nicht zu verachten ist… Aber so hat man auch immer den Antrieb, sich zu bewegen und sich neue Songs einfallen zu lassen.